Ein Blick zurück

Ein Blick zurück

07.02.2023

Der Zeller See als geschichtsträchtiger Treffpunkt für Eisschneider, Rennfahrer und Piloten

3.133 Eisenbahnwaggons, 100 Pferde, 450 Menschen: Das sind die Eckdaten zu einem spannenden Stück Geschichte in Zell am See. Im Mittelpunkt steht dabei das Herz der Region – der Zeller See. Tauch‘ mit uns ein und erfahre, warum das Eis des Zeller Sees früher Gold wert war und welche waghalsigen Abenteuer sich schon auf der Eisfläche abgespielt haben.


Es muss bitterkalt gewesen sein, im Winter 1883/1884: So kalt, dass der Zeller See mit einer dicken Eisschicht überzogen war. Doch statt den See zum romantischen Eislaufen zu nutzen, wurde das Eis zur wichtigen Einnahmequelle der Region und der See zum Arbeitsplatz für bis zu 450 Personen.

Wie es dazu kam? Seit dem 18. Jahrhundert wurde Natureis bereits als Kühlmittel – etwa in Brauereien und Gasthöfen zum Kühlen der Lagerräume oder aber auch in der Chirurgie – geschätzt und verwendet. Kein Wunder also, dass man in Zell am See-Kaprun die natürlichen Vorteile nutzen und den Zeller See zur Eisgewinnung verwenden wollte.

Ein schlauer Bürgermeister und das Glück mit der Eisenbahn

Die Idee dazu wurde unter anderem von dem damaligen Bürgermeister Josef Fill forciert: Er war maßgeblich daran beteiligt, dass sich Zell am See zu einem blühenden Fremdenverkehrsort wandeln konnte und er setzte sich sehr dafür ein, dass die Marktgemeinde die billige Rohstoffquelle – den Zeller See mit seinem Eis – nutzen konnte.

Transport des Eises vom Zeller See ins In- und Ausland | © Zell am See-Kaprun

Das Eisschneiden war für die Bevölkerung der Region eine wichtige (Neben-)Erwerbsquelle: Mehr als 450 Menschen (viele davon waren Bauern aus der Umgebung, aber auch aus dem benachbarten Bayern) konnten hier im Winter 1883/84 eine Arbeitsstelle finden. Dieser Winter war übrigens ein echtes Rekordjahr in puncto Eisschneiden!

Im Februar und März, als die Eisschicht des Zeller Sees auf bis zu 50 Zentimeter Dicke anwuchs, schnitten die Arbeiter mit Sägen, Äxten und Haken große Eisblöcke aus dem See. Diese wurden zum Teil in die Eiskeller der örtlichen Gasthöfe, Metzgereien und Brauereien gebracht, aber auch ins In- und Ausland verschickt. Möglich wurde das durch den Bau der Eisenbahnstrecke, die erst kurz zuvor eröffnet worden war und durch Zell am See führte.

Auf dem Rücken von 100 Pferden

Um die Eisblöcke vom See zur Bahntrasse zu liefern, wurden Pferde genutzt. Im Winter 1883/84 waren hier mehr als 100 Pferde im Einsatz! Die Eisblöcke wurden dann in Eisenbahnwaggons verladen: Im Rekordjahr wurden insgesamt 3.133 Waggons gezählt, die das Natureis nach Österreich und Deutschland brachten. Im Jahr 1899 wurde schließlich sogar ein eigener Gleisanschluss für die Eisverladung gebaut, um den Transport zu erleichtern. Mit den Jahren kam mit der Kunsteiserzeugung das Ende des Eisschneidens. Ab Mitte der 1950er Jahre verdrängte Kunsteis das Natureis vom Markt und das Eisschneiden war nicht mehr rentabel.

Natureis-Gewinnung am Zeller See | © Zell am See-Kaprun

Der Zeller See als Rennstrecke und Flugplatz

Der zugefrorene Zeller See war aber in der Vergangenheit nicht nur Arbeitsplatz für Eisschneider: Schon Anfang des 20. Jahrhunderts war die Eisfläche ein Magnet für Besucher – und ein Spielplatz für wagemutige Sportler und sogar Piloten!

So fand im Jahr 1937 auf dem zugefrorenen Zeller See die Eröffnung der V. Akademischen Welt-Winterspiele statt. Außerdem wurden schon ab den 1930ern verschiedene Sportbewerbe am Eis ausgetragen, von Motorrad-Skijöring bis zu Trabrennen, Hunderennen und Pferde-Skijöring. Spektakulärer Höhepunkt aller Veranstaltungen waren die Eisrennen, die ab den 1950er Jahren in memoriam Prof. Dr. h. c. Ferdinand Porsche durchgeführt wurden. Zwei Jahrzehnte lang, bis 1973, fuhren mutige Piloten mit Motorrädern und Automobilen bei diesen Eisrennen um die Wette.

Autorennen und mehr auf dem Eis | © Zell am See-Kaprun

Das Eis des Zeller Sees wurde übrigens nicht nur auf Reifen und Hufen erobert: Sogar von der Luft aus war die Eisfläche Anziehungspunkt. Im Jahr 1924 wagten mutige Pioniere des Flugsports erste Starts und Landungen mit einem Leichtflugzeug auf dem Zeller See; ab dem Jahr 1929 landeten dann auch Segelflugpiloten ihre Maschinen auf dem Eis. In den 1940er Jahren begannen regelmäßige Alpenrundflüge für Besucher mit Start- und Landepunkt am Eis. Und bis in die 70er Jahre hinein konnte man vom zugefrorenen See aus sogar zu Taxiflügen nach Salzburg, Innsbruck und München aufbrechen!

Landung mit dem Kleinflugzeug am Eis des Zeller Sees | © Zell am See-Kaprun

Viel mehr als Wasser und Eis

Wenn du also das nächste Mal am Ufer des Zeller Sees entlang spazierst, kommen dir vielleicht die Piloten, Rennfahrer und Eisschneider der Vergangenheit in den Sinn: Sie alle haben schließlich ihre Spuren in der abwechslungsreichen Geschichte Zell am Sees hinterlassen.